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Aktion "Schichtwechsel": Vom Schreibtisch an den Bonbontisch

"Schichwechsel"-Akteurin Sina Liebzeit und Teamleiter Bernd Hemstedt. (Foto: S. Gorges)
"Schichwechsel"-Akteurin Sina Liebzeit und Teamleiter Bernd Hemstedt. (Foto: S. Gorges)

Vorsichtig drückt Sina Liebzeit den Aufkleber auf die Bonbontüte. Hebräische Buchstaben sind zu sehen – es sind die Inhaltsangaben der kleinen Leckereien aus dem Hause Bodeta, die für Kunden in Israel präpariert werden müssen. Auch oben in die Ecke kommt ein runder, grüner Aufkleber, der fürs Zuckerfreie wirbt. Sina Liebzeit kommt sofort mit den anderen Frauen und Männern am Bonbontisch ins Gespräch, das Kleben geht ihr dank der guten Gesellschaft immer schneller von der Hand. „Ich war neugierig auf das, was hier so für Bodeta gemacht wird“, sagt die 48-Jährige, die sonst an einem Schreibtisch im Rathaus Wanzleben sitzt. Deshalb arbeitet sie zunächst in der Montagegruppe von Bernd Hemstedt, wo verpacken das Tagwerk ist. „Und weil ich auch Feuerwehrfrau bin, schaue ich mir nachher noch die Helmproduktion am Pfefferbach an.“ Doch bevor es in den Werkstattstandort „Am Pfefferbach“ geht, muss die Klein Rodenlebenerin am Standort „Neubrandslebener Weg“ noch ein paar Bonbontüten schaffen. „Ich strenge mich an“, sagt sie schmunzelnd.

Sina Liebzeit war für einen Tag so etwas wie eine „Austauschschülerin“. Sie hat am 25. September am „Schichtwechsel“ der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) teilgenommen und ihren Arbeitsplatz am Empfang der Stadtverwaltung Wanzleben mit der Werkstattbeschäftigten Jennifer Regener getauscht. Fünf weitere Beschäftigte aus der Matthias-Claudius-Haus-Stiftung Oschersleben waren anlässlich des deutschlandweiten „Schichtwechsel“-Tages ebenfalls in Unternehmen unterwegs, um neue Perspektiven zu gewinnen. „Inklusion geht hervorragend über das Thema Arbeit“, weiß Dirk Belling, der die WfbM im Neubrandslebener Weg leitet. „Wir haben aus unseren Werkstätten zwei Beschäftigte beim Landkreis Börde, drei beim Dosenhersteller Ardagh Metal Beverage in Hermsdorf und eine im Rathaus Wanzleben.“ Eigentlich sollten ebenso viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Matthias-Claudius-Haus-Stiftung sein, aber am Ende war es nur Sina Liebzeit. Warum? „Wir hatten mehr Anmeldungen fürs Arbeitsplätze tauschen, aber krankheitsbedingt gab es kurzfristig Absagen.“ Lange vor dem Aktionstag hat Dirk Belling viele Unternehmen und kommunale Institutionen zum Mitmachen bewegen wollen, doch die Resonanz war eher verhalten. „Manchmal kam nicht einmal eine Antwort“, kritisiert er. „Das ist schade. Es geht ja auch um Sichtbarkeit, Gleichberechtigung und Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Inklusion darf nicht am Werktor aufhören.“ Einen fünften „Schichtwechsel“ will er 2026 trotzdem planen – dann mit hoffentlich mehr Bereitschaft und Resonanz.

29.09.2025